Vertragsarztrecht und Kassenzulassung sind ohne Zweifel zwei essenzielle Eckpfeiler, wenn es darum geht, sich als Arzt selbstständig zu machen. Denn schließlich dürfen nur Ärzte mit Kassenzulassung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abrechnen.
Die Erteilung von Kassenzulassungen für Ärzte ist je nach Region und Bedarfsplan stark eingeschränkt. Wenn Sie als Arzt eine Praxis neu gründen möchten, sollten Sie zunächst in Erfahrung bringen, ob es am angedachten Praxisstandort einen freien Vertragsarztsitz gibt. Alternativ können Sie von einem Vertragsarzt eine Praxis übernehmen.
Tipp: Die Kosten für die Kassenzulassung sind dabei kein Einzelposten, sondern Teil des immateriellen Praxiswerts. Als solche lassen sie sich wie die übrigen Anschaffungskosten über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von drei bis sechs Jahren abschreiben.
Die approbierte Ärztin Lena hat als Hautärztin ihre Berufung gefunden. Ihr Job in einem Medizinischen Versorgungszentrum macht ihr Spaß. Dennoch denkt sie an einen beruflichen Umzug in ihre „eigenen vier Praxiswände“. Lena will den Schritt in die Selbstständigkeit gut vorbereitet gehen. Einerseits möchte sie sich informieren, welche Rechte und Pflichten sich aus dem ärztlichen Berufsrecht mit der Niederlassung ergeben. Andererseits will sie ganz genau wissen, was es mit dem Vertragsarztrecht, auch Kassenarztrecht genannt, auf sich hat.
- Wie hoch wohl die Kosten für eine Kassenzulassung sind?
- Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um eine Kassenzulassung zu erhalten?
- Gibt es eine Altersgrenze für Kassenzulassungen?
- Wann muss ein Arzt seine Zulassung abgeben?
- Was gibt es für Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Heilpraktiker, Podologen und TCM-Ärzte in Bezug auf die Kassenzulassung zu wissen?
Solche und weitere Fragen beantwortet dieser große advomeda-Ratgeber rund um die Kassenzulassung und das Vertragsarztrecht für Sie. Einfach weiterlesen!
Was sind Vertragsärzte bzw. was behandelt das Vertragsarztrecht?
Vertragsarztrecht und Kassenzulassung: Wer als Arzt zugelassen ist, um gesetzlich versicherte Patienten medizinisch versorgen zu dürfen, erwirbt den Status der Vertragsärztin bzw. des Vertragsarztes. Da Lena als Hautärztin in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) angestellt ist, könnte man meinen, dass sie bereits Vertragsärztin sei. Doch Ärzte, die in einer Praxisgemeinschaft oder einer Berufsausübungsgemeinschaft angestellt arbeiten, haben noch keinen Vertragsarztstatus. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn sie freiberuflich tätig wäre.
Allerdings sind Ärzte in vergleichbarer Position verpflichtet, sich im Arztregister eintragen zu lassen. Dies führt dazu, dass sie als Mitglieder der entsprechenden Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) oder Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV) geführt werden. Das Vertragsarztrecht ist im Sozialgesetzbuch (SGB V) und der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) geregelt. Hierbei geht es um die rechtlichen Beziehungen zwischen den Krankenkassen als Träger der gesetzlichen Krankenversicherten und den Leistungserbringern wie Vertragsärzte oder auch Krankenhäuser und medizinische Versorgungszentren (MVZ).
Neben der medizinischen Versorgung der Patienten wäre Lena als Vertragsärztin beispielsweise zukünftig verpflichtet, Verträge mit Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen zu schließen. Zudem muss der Vertragsarzt seine Leistungen wie die Patientenbehandlung persönlich erbringen. Allerdings darf er sich gemäß § 32 Ärzte-ZV bis zu einer Dauer von drei Monaten vertreten lassen. Dies gilt z. B. bei Krankheit, Fortbildungen oder Urlaub.
Vertragsarztrecht und Kassenzulassung: Was regelt das Kassenarztrecht?
Nicht nur zur Praxiseröffnung, sondern auch bei der ärztlichen Versorgung ihrer Patienten wird sich Lena weitaus mehr mit rechtlichen Vorschriften auseinandersetzen müssen, als dies bisher als Angestellte des MVZ der Fall war. Das Kassenarztrecht behandelt sämtliche Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen, Vertragsärzten und den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Die meisten Regelungen finden sich im Sozialgesetzbuch V. Daneben können jedoch auch ganz allgemein Geschäftsordnungen, der Bundesmantelvertrag Ärzte, der Arzt / Ersatzkassen-Vertrag oder die Zulassungsverordnungen für Vertragsärzte einschlägig sein.
Auch das Zulassungsrecht für Ärzte, nämlich die Übertragung des Kassenarztsitzes etwa nach Durchführung des Ausschreibungsverfahrens der betreffenden KV, spielt eine gewichtige Rolle. Wie Lena inzwischen erfahren hat, darf der bisherige Praxisarzt seinen Vertragsarztsitz streng genommen gar nicht per Vertrag veräußern. Allerdings kann sich dieser im Nachbesetzungsverfahren dafür einsetzen, dass sich die Chancen auf die Praxisübernahme samt Kassenzulassung für den Käufer deutlich erhöhen. Dazu später mehr.
Außerdem ist das ärztliche Berufsrecht zu beachten. Die Berufsausübung bzw. das Berufsrecht der Ärzte ist in den jeweiligen Berufsordnungen, Weiterbildungsordnungen und in den Heilberufe- und Kammergesetzen der jeweiligen Bundesländer geregelt.
Wie bekommt der Arzt bzw. der Psychotherapeut seine Kassenzulassung?
Die Grundvoraussetzungen, um als Arzt eine Kassenzulassung zu erhalten, hat Lena bereits erfüllt. Sie ist approbierte Ärztin und hat sich als Hautärztin zur Fachärztin weitergebildet. Denn nur wenn die beiden Bedingungen Approbation und Facharzttitel erfüllt sind, kann ein Arzt die Kassenzulassung für Ärzte beantragen. Nach der Definition wird die Kassenzulassung wie folgt beschrieben:
Ärzte mit Kassenzulassung sind berechtigt, ihre ärztlichen Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Die Abrechnung erfolgt dabei über die Kassenärztliche Vereinigung (KV). Ärzte, Zahnärzte, Kinderärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Podologen oder Ergotherapeuten können auf Antrag ihre Kassenzulassung erhalten. Ein solcher Antrag ist nach §§ 3, 4 der Ärzte-ZV bei der KV seines Wohnortes zu stellen.
Wer erteilt die Kassenzulassung? Die entsprechend errichteten Zulassungsstellen erteilen schließlich die Zulassung für den Arzt, indem sie die Vorschriften der jeweiligen Zulassungsverordnung anwenden. Wie erwähnt gilt die erteilte Zulassung nur für den Ort, in dem sich die Ärztin oder der Arzt mit seiner Praxis niederlässt.
Was kostet eine kassenärztliche Zulassung?
Auch als gutverdienende Ärztin in einem MVZ muss Lena die bevorstehenden Kosten der Kassenzulassung im Rahmen ihrer Praxisgründung bzw. -übernahme fest im Blick behalten. Daher will sie sich bereits frühzeitig einen aussagekräftigen Kostenplan erstellen lassen. Sie vermutet zu Recht, dass der Faktor Vertragsarztsitz die Kosten bei einer Praxisübernahme maßgeblich mitbeeinflusst.
Lena ist sich noch nicht ganz sicher, ob sie eine bestehende Praxis übernehmen möchte oder doch eine Praxisneugründung bevorzugt. In jedem Fall möchte sie sich bei einer Praxisbörse über Angebote in ihrer und anderen Regionen informieren. Nicht alle Praxisbörsen sind für Ärzte frei zugänglich und auch die Vermittlungsgebühren – ein weiterer Punkt bei den Kosten einer Praxisübernahme – sind unterschiedlich hoch. Besonders praktisch erscheint Lena die mediorbis Praxisbörse, ein zentralisierter Online-Marktplatz mit Angeboten aus ganz Deutschland. Und es ist in den Praxis-Inseraten auf den ersten Blick ersichtlich, ob und in welcher Höhe eine Courtage anfällt.
Während Lena bei einer Praxisneugründung mit Kosten in Höhe von ca. 130.000 € rechnen muss, fallen die Kosten für den Arzt bei Übernahme einer Praxis samt Kassenzulassung mit ca. 150.000 € deutlich höher aus. Denn bei der Praxisübernahme ist der ideelle Wert, der sich u. a. nach vorhandenem Patientenstamm oder Praxislage bestimmt, hinzuzurechnen. Die Kosten einer Physiotherapie-Praxis samt Kassenzulassung belaufen sich dagegen auf ca. 85.000 €.
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Vertragsarztrecht und Kassenzulassung: Wann muss ein Arzt seine Kassenzulassung abgeben?
In Lenas Fall geht es erst einmal darum, die Kassenzulassung zu erhalten. Dennoch wollen wir einen kurzen Blick darauf werfen, wie und wann man seine Kassenzulassung abgeben muss bzw. verlieren kann. Ist die der Arzt jedoch grundsätzlich nicht geeignet, die Leistungen eines Vertragsarztes ordnungsgemäß zu erbringen, so wird erst gar keine Zulassung erteilt. Dies trifft etwa dann zu, wenn der Arzt gemäß § 20 Ärzte-ZV aus Zeitgründen die ärztliche Tätigkeit nicht gemäß Versorgungsauftrag anbieten kann.
Daneben können persönliche Gründe wie geistige Schwäche oder auch Suchtverhalten dafür sprechen, dem Arzt die Kassenzulassung zu verweigern. Der Entzug der Kassenzulassung für die verschiedenen Facharztrichtungen wie auch bei der Physiotherapie droht immer dann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung entweder nicht oder nicht mehr vorliegen. So kann der Arzt die Kassenzulassung verlieren, wenn er seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt. Ebenso muss der Arzt mit dem Verlust der Kassenzulassung rechnen, wenn er seine ärztlichen Pflichten erheblich verletzt hat.
Nicht zu verwechseln ist der Entzug der Zulassung mit der Entscheidung des Vertragsarztes, seinen Verzicht wirksam zu erklären. In dem Fall gibt der Arzt demzufolge seine Kassenzulassung freiwillig zurück. Mit der Abgabe der Kassenzulassung wird die Verzichtserklärung nach Ende des folgenden Kalendervierteljahres wirksam. Zieht der zulassungsberechtigte Arzt aus seinem Zulassungsbezirk weg, so verfügt der Arzt danach ebenfalls über keine Kassenzulassung mehr.
Vertragsarztrecht und Kassenzulassung: Gibt es eine Altersgrenze für die Kassenzulassung?
Mit ihren 31 Jahren steht Lena noch am Anfang ihrer Arztkarriere. Dennoch darf auch sie sich schon heute dafür interessieren, ob es für die Kassenzulassung eine Altersgrenze gibt. Und wenn ja, ab welchem Alter der Arzt seine Kassenzulassung abgeben muss. Grundsätzlich gilt, dass der Arzt auf seinen eigenen Antrag hin, somit aufgrund freiwilliger Rückgabe der Kassenzulassung, nicht weiter im Arztregister geführt wird. Dies ist ebenso der Fall, wenn der Arzt verstirbt oder er seine Approbation nicht bzw. nicht mehr hat.
Aber endet die Kassenzulassung ab einem bestimmten Alter? Nein, die Regelung, dass Ärzte mit Vollendung ihres 68. Lebensjahres die Zulassung als Vertragsarzt verlieren, wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2009 aufgehoben. Auch als Zahnarzt oder im Bereich der Psychotherapie gibt es für die Beendigung der Kassenzulassung keine Altersgrenze. Dementsprechend endet im Fachbereich der Physiotherapie die Kassenzulassung erst dann, wenn der Therapeut sie aus eigenem freiem Willen abgibt.
Je nach Bundesland kann es vorkommen, dass die jeweilige Ärzteversorgung die Rente ab einem bestimmten Alter anbietet. In Berlin etwa gilt diese Regelung für Ärzte ab 67.
Wie bekommt man als Psychotherapeut eine Kassenzulassung?
Damit der Psychotherapeut mit Kassenzulassung tätig sein kann, muss er gemäß Psychotherapeutengesetz (PsychThG) eine drei- bzw. fünfjährige Ausbildung machen. Diese endet mit dem Antrag und der Erteilung der Approbation. Dabei werden Psychotherapeuten genau wie Ärzte im Arztregister der Kassenärztlichen Vereinigung geführt. Der Psychologe bzw. Neuropsychologe mit Kassenzulassung ist danach berechtigt, seine Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Allerdings ist die Anzahl der Therapeuten mit Kassenzulassung regional beschränkt.
Denn diese wird nach der sogenannten Bedarfsplanung bestimmt und richtet sich nach der jeweiligen Einwohnerzahl. Wenn also der Therapeut die Kassenzulassung für seine Psychotherapie kaufen möchte, dann sollte er den Arbeitsort und die dortige Konkurrenz bzw. den vorhandenen Bedarf genau erforschen. Wenn die Suche nach einem Psychotherapeuten oder psychologischen Berater mit Kassenzulassung ohne Erfolg ist, dann können GKV-Patienten übrigens auch eine Psychotherapie ohne Kassenzulassung aufsuchen. In diesen Fällen besteht die Möglichkeit, die Behandlungskosten von der Krankenkasse erstattet zu bekommen.
Gleiches gilt im Übrigen auch für eine Kassenzulassung in den Fachbereichen Gesprächspsychotherapie, Kinder- und Jugendpsychotherapie oder die Tiefenpsychologie. Außerdem werden einige Privatkliniken ohne Kassenzulassung von Krankenkassen anerkannt, die christliche Psychotherapie anbieten, also psychotherapeutische und seelsorgerische Leistungsangebote.
Was müssen Physiotherapeuten und Mitglieder anderer Fachbereiche in puncto Kassenzulassung beachten?
Ein Therapeut für Physiotherapie ohne Praxis und auch ohne Kassenzulassung kann seine Tätigkeit ebenso erbringen wie ein Physiotherapeut mit Kassenzulassung. Voraussetzung hierfür ist lediglich die Abrechnung über den Kollegen, dessen Praxis er bei der Behandlung des eigenen Patientenstamms mitbenutzt. Im Gegensatz zu 2020 können Kassenzulassungen für Physiotherapie seit Mitte 2021 über die ARGEn der Heilmittelzulassung online beantragt werden.
Bei TCM-Kliniken, also Kliniken mit Angeboten der Traditionell Chinesischen Medizin, wird der Patient grundsätzlich als Selbstzahler behandelt, es sei denn, er kann eine Bescheinigung zur Kostenübernahme seiner gesetzlichen Krankenkasse vorlegen. Das Gleiche gilt für TCM-Ärzte mit Kassenzulassung. Die AOK beispielsweise übernimmt hier bei bestimmten Beschwerden die Kosten für eine Akupunktur-Behandlung, wenn der TCM-Arzt entsprechende Methoden anbietet.
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